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Auch wenn „Täter-Opfer-Ausgleich“ draufsteht, ist nicht immer eine Strafmilderung drin

Ein erfolgreicher Täter-Opfer-Ausgleich kann einem Straftäter bei der Strafzumessung ein milderes Urteil bescheren. Doch dafür muss tatsächlich ein friedensstiftender Ausgleich erreicht worden sein. Es genügt nicht, dass „Täter-Opfer-Ausgleich“ über der Vereinbarung steht. Stimmt das Opfer der Straftat nur aus finanzieller Not zu, liegt kein Strafmilderungsgrund vor. Das entschied der Bundesgerichtshof bereits im Jahr 2002 (BGH-Beschluss vom 31.5.2002 – 2 StR 73/02).

 

Vergewaltigung und gefährliche Körperverletzung nach erheblichem Alkoholkonsum

In dem Fall hatte der BGH über den Revisionsantrag eines Mannes zu entscheiden, den das Landgericht Köln wegen Vergewaltigung (§ 177 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung (§ 224 StGB) zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt hatte. Der Mann hatte sich an einem Abend nach erheblichem Alkoholkonsum dazu bereit erklärt, eine Zufallsbekanntschaft nach Hause zu fahren. Stattdessen hielt er unterwegs an, zerrte die um Hilfe rufende Frau in ein Waldstück und schlug ihr einen Schneidezahn aus. Um ihren Widerstand zu brechen, würgte er sie heftig und drohte ihr mit dem Tod durch Erwürgen. Nachdem sie daraufhin den Widerstand aufgab, nutzte der Täter dies für ungeschützten Geschlechtsverkehr und Oralverkehr.

Während des Strafverfahrens handelte der Rechtsanwalt der jungen Frau mit dem Strafverteidiger des Mannes eine Vereinbarung aus. Sie sah die Zahlung eines Schmerzensgelds von 15.000 DM, die Übernahme ihrer Rechtsanwaltskosten sowie die Bezahlung eines Zahnimplantats vor, das durch den Schlag ins Gesicht notwendig geworden war. Als Unterpunkt waren die Entschuldigung des Täters und die Annahme der Entschuldigung durch die Frau enthalten. Ein weiterer Punkt hielt fest, dass dem Opfer nicht mehr daran gelegen sei, dass der Täter mehr als eine Bewährungsstrafe erhalte.

Die Vereinbarung war als Täter-Opfer-Ausgleich gedacht und trug auch diesen Titel. Anschließend nahm das Opfer der Vergewaltigung seine Nebenklage zurück, auch das war so vereinbart.

 

BGH: Das Opfer hat den Ausgleich nicht „innerlich akzeptiert“

Die Strafkammer des Landgerichts Köln berücksichtigte die Vereinbarung bei ihrem Urteil nicht als Strafmilderungsgrund. Das war auch berechtigt, wie der zweite Strafsenat des BGH in der Revision des Urteils bestätigte. Eine Ausgleichsregelung muss demnach von beiden Seiten akzeptiert und ernsthaft mitgetragen werden. Nur dann liegt wirklich ein Täter-Opfer-Ausgleich im Sinne des § 46a Nr. 1 StGB und damit die Voraussetzung für eine entsprechend mildere Strafe vor.

Dies war hier aber nicht der Fall: Die Hauptverhandlung am Landgericht hatte gezeigt, dass die Frau der Vereinbarung nur zugestimmt hatte, weil sie für das notwendig gewordene Zahnimplantat dringend Geld benötigte. Sie hatte die Befürchtung, ohne ihre Einwilligung keine Zahlung von dem Täter zu erhalten. Damit fehlte der Vereinbarung ein entscheidendes Element.

Das Opfer hatte die Leistungen des Täters nicht als friedensstiftenden Ausgleich akzeptiert. Ohne diese innerliche Akzeptanz war auch kein Täter-Opfer-Ausgleich zustande gekommen. Der Titel, den die Rechtsanwälte dem Dokument gegeben hatten, war ebenso wenig von Belang wie die durch finanzielle Zwänge motivierte Unterschrift des Vergewaltigungsopfers.

 

Dem Angeklagten ging es nicht um den friedensstiftenden Ausgleich

In der Begründung seiner Entscheidung erwähnt der BGH, dass ein Täter-Opfer-Ausgleich selbst ohne innere Akzeptanz durch das Opfer denkbar gewesen wäre. Dazu hätte der Angeklagte das ernsthafte Bestreben zeigen müssen, sein Opfer zufriedenzustellen und so zu einem friedensstiftenden Ausgleich mit der Frau zu gelangen. Dies konnten die Richter des BGH jedoch nicht erkennen: Der Angeklagte kannte vielmehr die finanzielle Lage seines Opfers. Er habe gewusst, „dass sie die schriftliche Vereinbarung nur aus der Not heraus annahm, ohne darin tatsächlich eine Konfliktregelung zu sehen.“

Umgekehrt lässt sich daraus allerdings folgern, dass echte, auf wirkliche Versöhnung gerichtete Anstrengungen des Täters einen Strafmilderungsgrund dargestellt hätten, und das selbst dann, wenn sie nicht zur inneren Akzeptanz durch das Opfer geführt hätten.

 

Fachanwalt Strafrecht Dortmund – Fazit: Der Täter-Opfer-Ausgleich hängt nicht von Beträgen und Summen ab

  • Ein Täter-Opfer-Ausgleich ist nach einer Straftat ein guter Weg, nicht nur um ein milderes Urteil zu ermöglichen. Geld und ein Dokument genügen dafür jedoch nicht. Entscheidend ist, was im Ausgleichsprozess zwischen Täter und Opfer geschieht.
  • Einen solchen Ausgleich zu vermitteln und seinen Erfolg zu beurteilen, gehört zur hohen Schule der Strafverteidigung – und deshalb in die Hände eines Fachanwalts für Strafrecht.
  • Besonders interessant an der Entscheidung ist der Verweis darauf, dass „die fehlende Einwilligung des Opfers“ für das Zustandekommen des Ausgleichs unerheblich sein kann, wenn der Täter „in dem Bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen, die Wiedergutmachung der Tat ernsthaft erstrebt hat“. Diesen Punkt unterschlägt die laufende Rechtsprechung viel zu häufig. Dabei hielt der zweite Strafsenat des BGH sich dabei eng an den Wortlaut des § 46a StGB.

Dieter Axmann ist Strafverteidiger und Fachanwalt für Strafrecht aus Dortmund. Er hat bereits Hunderte von Mandanten gegen den Vorwurf von Sexualdelikten verteidigt und verfügt über große Erfahrung im Sexualstrafrecht. Außerdem hat er in zahlreichen Fällen am Zustandekommen eines Täter-Opfer-Ausgleichs mitgewirkt.

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